Früher Eingriff ermöglicht Hören
Luna erhält Cochlea-Implantat am Klinikum Hersfeld-Rotenburg
Luna und ihre Zwillingsschwester Kira kommen in der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt. Damit gilt sie als sehr Frühgeborene und verbringt mit ihrer Schwester die ersten Wochen auf der Neugeborenen-Intensivstation. Als die Vermutung der Eltern, ihre Tochter sei taub, bestätigt wird, werden die Fuldaer auf die HNO-Klinik am Klinikum Hersfeld-Rotenburg aufmerksam und Luna als eine der jüngsten Patientinnen von Prof. Dr. Peter Issing und seinem Team mit einem Cochlea-Implantat versorgt.
Während das erste Hörscreening kurz nach ihrer Geburt noch keine direkten Hinweise auf eine mögliche Taubheit liefert, merken ihre Eltern Lena und Christopher in den ersten Wochen zu Hause, dass etwas nicht stimmt: „Ihre Zwillingsschwester hat sich bei Lärm und lauten Geräuschen ganz natürlich erschreckt, Luna aber nicht. Daraufhin haben wir die Situation weiter beobachtet und unsere Vermutung, dass Luna sehr schlecht oder vielleicht auch gar nicht hört, beim Kinderarzt angesprochen.“ Die ersten Tests, erinnert sich das Paar, waren weiterhin unauffällig. Bedingt durch Lunas holprigen Start ins Leben rieten die Ärzte dazu, die Tests in einigen Wochen zu wiederholen. „Wir haben zu Hause aber immer wieder die gleichen Situationen erlebt, in denen Luna ganz klar keine Reaktion auf Geräusche gezeigt hat. Deshalb haben wir uns zu einer weiteren Untersuchung entschieden, bei der Luna sogar unter Narkose gesetzt werden musste“, erinnert sich ihre Mutter. Bei der sogenannten BERA, der Hirnstammaudiometrie, wird gemessen, wie gut die Hörnerven und der Hirnstamm auf Geräusche reagieren. Die Untersuchung bringt Klarheit: Die Hörschwelle ist beidseitig so hoch, dass Luna nahezu keine Geräusche aus dem Alltag wahrnimmt. „Es war gut zu wissen, was Sache ist und, dass man hier mit einem Implantat helfen kann. Trotzdem ist man als Elternteil erschüttert, so eine Diagnose für das eigene Kind zu erhalten“, so Lena Keller.
Gemeinsam googelt das Paar nach Spezialisten und Kliniken, die Säuglinge mit einem sogenannten Cochlea Implantat versorgen. „Dabei sind wir auf eine Patientengeschichte aufmerksam geworden, die das Klinikum Bad Hersfeld veröffentlicht hat. Der Chefarzt Prof. Issing hatte hier mit seinem Team ein Kleinkind mit einem Cochlea Implantat versorgt. Beim Lesen der Zeilen haben wir wieder neuen Mut gefasst und konnten aus dem, was diese beiden Elternteile berichtet haben, unsere Entscheidung treffen“, so Christopher Keller. Kurzerhand vereinbaren sie einen Termin im Klinikum bei Audiologin Dr. Srebrena Koch. Das junge Paar ergänzt: „Unser Akustiker in Fulda hatte uns das Team der Hersfelder HNO auch empfohlen.“
Nach mehreren Stationen und Informationsgesprächen fühlt sich die Familie bei Dr. Srebrena Koch in der Hersfelder HNO-Klinik endlich gut verstanden. „Was uns ein gutes Gefühl gegeben hat, war die bedachte Herangehensweise des gesamten Teams. Frau Koch zeigte und erklärte uns die verschiedenen Modelle der Hersteller und schickte uns zu mehreren Untersuchungen im Klinikum“, betont Lena Keller. So stellen Luna und ihre Eltern sich bei der Chefärztin der Kinderklinik Dr. Carmen Knöppel und Anästhesisten Dr. Maurice Laun vor. „Das hat uns gezeigt, mit welcher Umsicht und auch Sicherheit das Team in die Operation gehen möchte. Erst als aus allen Fachbereichen das Ok für den Eingriff kam, hat Prof. Issing uns die klare Empfehlung dazu gegeben“, erinnert sich das Paar. Lena und Christopher, die durch die Gespräche mit den Fachärzten transparent in den Prozess einbezogen wurden, fiel die Überlegung so leichter. „Man trifft als Elternteil eine Entscheidung stellvertretend für das eigene Kind, mit der dieser heranwachsende Mensch ein Leben lang leben muss. Das ist nicht einfach“, erklärt Lena Keller.
Zum Zeitpunkt der OP ist Luna 11 Monate alt und gehört damit zu den jüngsten Patienten von Prof. Issing. Er führt die Operation gemeinsam mit Audiologin Dr. Koch durch. Koch dazu: „Direkt nach dem Einsetzen des Implantats führen wir eine erste Messung aus. Auf diese Weise prüfen wir die Funktionstüchtigkeit und können erste Werte ermitteln, bei denen die Hörnerven angemessen reagieren.“ Bei der Operation wird in die Hörschnecke, der sogenannten Cochlea, das Implantat in Form eines Elektrodenträgers eingesetzt. Eine weitere Einheit mit Empfänger und Signalverarbeitung werden in eine kleine Tasche im Knochen direkt hinter dem Ohr implantiert. Sie befinden sich direkt unter der Haut. „Das Implantat überbrückt auf diese Weise die defekten Bereiche, die sogenannten Haarzellen in der Hörschnecke, und regt direkt den Hörnerv an. Das ermöglicht auch Menschen, die an Innenohrschäden leiden, wieder zu hören“, so Prof. Dr. Peter Issing, der diese Methode am weltweit bedeutendsten CI-Zentrum in Hannover erlernt und bis heute über 1.000 Implantate eingesetzt hat.
Für seine Patientin Luna Keller betont der Hersfelder Chefarzt, wie wichtig eine frühe, gute Versorgung mit einem Hörgerät oder Implantat sei: „Wir erlernen etwa bis zu unserem 4. Lebensjahr den Großteil unserer Sprache. Dafür ist es natürlich essenziell notwendig, dass wir ausreichend hören und Sprache aufnehmen können. Danach wird der Spracherwerb deutlich schwieriger, weil dann auch die Hörbahnreifung weitgehend abgeschlossen ist.“ Ärzte und auch Pädagogen achten daher sehr früh auf ausreichende Hörfähigkeit und Sprachgebrauch bei Kleinkindern. Aus diesem Grund erfolgt auch routinemäßig das Neugeborenenhörscreening wenige Tage nach der Geburt. Ist dies auffällig, sei zu einem Besuch beim HNO-Arzt oder Pädaudiologen geraten.
Die Operation und auch der Aufenthalt auf der Station im Klinikum verlaufen für Luna und ihre Eltern unauffällig. Bereits nach wenigen Tagen kann sie zu ihren beiden Schwestern nach Hause. Einen Monat später ist die Operationsnarbe gut verheilt und Luna kann bei Dr. Koch die Erstanpassung ihres Implantats vornehmen lassen. „Natürlich ist Luna noch nicht in der Lage, uns mitzuteilen, wie gut sie mit dem Implantat hört. Deshalb arbeiten wir zunächst mit den Werten, die wir in der OP ermittelt haben. In den nächsten Wochen muss die kleine Patientin sich erst einmal an den Prozessor gewöhnen, der nun per Magnet hinter ihrem Ohr auf der Empfangseinheit sitzt“, erklärt Koch. Lunas Eltern und auch die Ärzte sehen dem Mädchen direkt die Veränderung an: „Man sieht, dass sie den Geräuschen lauscht und ihre Umgebung jetzt wahrnimmt. Das ist auch für uns als Eltern ein tolles Gefühl.“
Bepackt mit Ersatzteilen, Rucksäcken, einer Einheit fürs Schwimmbad und einem großen Plüsch-Koala, der auch ein Implantat trägt, verlässt die Familie das Klinikum. „Ich denke man kann sagen, dass wir freudig auf das sind, was jetzt kommt. Luna kann jetzt ganz neu mit ihren beiden Schwestern spielen und ins Leben starten“, freut sich Lena Keller. In regelmäßigen Abständen werden sie wieder zu Dr. Koch kommen und weitere Anpassungen vornehmen lassen.
Bild 1: Familie Keller mit Dr. Srebrena Koch
Bild 2: Fotografie André Hartmann
Prof. Dr. med. Peter Issing
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf-, Hals- und plastische Gesichtschirurgie
Klinikum Bad Hersfeld
Seilerweg 29
36251 Bad Hersfeld
Tel. 06621 / 88 1701